Ehrenamt

Jedes Ehrenamt ist eine enorme Bereicherung für beide Seiten. Im Folgenden finden Sie die Gedanken, die ich anlässlich der Feierlichkeiten zum 30-jährigen Bestehen eines Frauenhauses niedergeschrieben habe. Danach den Bericht einer ehemaligen Bewohnerin des Frauenhauses.

Gedanken zum Ehrenamt
Immer wieder fragen mich meine Freundinnen und Freunde, wie ich denn ausgerechnet eine ehrenamtliche Tätigkeit in einem so bedrückenden Ort wie einem Frauenhaus machen könnte. Dann schlagen sie mir angenehmere Orte für meinen Einsatz vor und fügen hinzu, sie könnten das nicht. Aber ihre Vorstellung von einem Frauenhaus ist falsch. Natürlich ist es immer wieder auch ein trauriger Ort, aber vor allem ist es ein Ort der Hoffnung - und was könnte es Schöneres geben als Hoffnung! Bei uns werden die Frauen und Kinder, die in einer verzweifelten Lage ihres Lebens zu uns flüchten, von den Mitarbeiterinnen ebenso warmherzig wie sachkundig empfangen. Beides tut den verletzten Seelen gut. Über die Tage und Wochen, die vergehen bis das neue Leben Gestalt annimmt, ebben langsam Verletzung und Verzweiflung ab und keimt die Hoffnung, dass ein neues Leben in Ruhe und Frieden möglich ist.
Die dafür zu bewältigenden Aufgaben sind groß und zahlreich. Die Suche nach einer Wohnung, einem Arbeitsplatz, einem Kindergarten bzw. einer Schule, die Auseinandersetzung mit den Ämtern, die juristische Konfrontation mit dem verlassenen Mann, die Bewältigung der schrecklichen Vergangenheit stehen wie eine riesige Felswand, die es zu erklimmen gilt, zwischen Vergangenheit und Zukunft. Das ist ohne Hilfe nicht zu schaffen.
Dazu einen noch so kleinen Beitrag zu leisten, befriedigt die Gebende. Denn natürlich würde niemand ein sogenanntes Ehrenamt ausüben, wenn es nicht das Gefühl vermittelte, Gutes zu tun; wenn uns nicht tief innen drin das schlechte Gewissen plagte, weil wir kein so schweres Schicksal zu tragen haben. Deshalb irren meine Freundinnen und Freunde doppelt, wenn sie glauben, mein vermeintlich selbstloses Tun bedrücke mich obendrein: weder ist mein Tun selbstlos noch bedrückt es mich. Im Gegenteil, ich stehe zu der eigennützigen Freude, die es bringt, anderen zu helfen - auch wenn es zugegebenermaßen nicht immer leicht ist.

Bericht einer ehemaligen Bewohnerin des Frauenhauses
Ich bin 27 Jahre alt, habe zwei Kinder und komme aus dem Kongo. Ich erzähle meine Geschichte in der Hoffnung, Frauen zu ermutigen, die leiden.
Ich wurde mit 16 Jahren in meinem Heimatland mit einem Mann verheiratet, den ich nie gesehen hatte. Die Heirat wurde zwischen den beiden Familien arrangiert, da mein Mann hier in Deutschland war. Drei Jahre später fand auch ich mich hier wieder - in einem unbekannten Land, einer unbekannten Sprache, mit einem unbekannten Ehemann.
Da mein Mann sich hingegen auskannte, machte er mit mir, was er wollte. Ich war gezwungen, mich zu unterwerfen, ich hatte keine andere Wahl. Manches Mal flüchtete ich mich in Träume, um zu versuchen, der Realität zu entfliehen. Denn sie war schwer zu ertragen. Ich hatte keinerlei Hoffnung, jemals da herauszukommen. Ich war irgendwie an mein Leid gebunden. Ich wollte sogar akzeptieren, dass es normal sei.
Bis zu dem Tag, an dem ich erfuhr, dass es Menschen gab, die mir helfen konnten, die mir sogar einen Ort gaben, in den ich mich würde retten können. Ich nahm Kontakt auf und fand mich im Frauenhaus wieder.
Vom ersten Tag an hatte ich den Eindruck, in einer anderen Welt zu sein. Ich fühlte mich in Sicherheit, frei - es war das erste Mal, dass ich mich so fühlte. In den Jahren der Demütigung, der Unterdrückung beginnt man, sich selbst zu unterschätzen. Man glaubt, dass man unfähig sei, aber dann erfährt man auf einmal, dass man zu allem fähig ist und dass man dieselben Rechte hat wie jeder Mensch.
Es waren die Frauen im Frauenhaus, die mir das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten wiedergaben. Denn das geschieht nicht von allein. Ich hatte das Glück, Frauen gefunden zu haben, die mir ihre Zeit schenkten und mir zuhörten. So heilten meine Wunden Schritt für Schritt.
Von dem Moment an, an dem ich mich entschlossen hatte zu gehen, fühlte ich die Verantwortung, etwas zerstört zu haben, das unsere beiden Familien zusammengeführt hatte. Für eine Afrikanerin ist die Familie sehr wichtig, und es ist nicht leicht, einer ihrer Entscheidungen zu widersprechen. Meine Familie, meine Freunde und ich selbst übten Druck auf mich aus.
Deshalb brauchte ich Menschen, die mich dazu ermutigten, den eingeschlagenen Weg auch in der eigenen Wohnung weiter zu verfolgen. Es ging mir schlecht. Ich war mit meinen Kindern allein, ich kannte niemanden, ich wusste nicht, wo anfangen. Die Frauen, die mich besuchten, waren nun meine Familie, stärkten mein Selbstvertrauen und gaben mir ein Gefühl der Sicherheit. Sie halfen mir bei den zahlreichen Behördengängen. So lernte ich die deutsche Gesellschaft kennen, die mir bis dahin unbekannt war.
Heute bin ich glücklich. Ich habe eine Wohnung, meine Kinder gehen in einen Kindergarten bzw. die Schule, ich bin frei, es geht mir gut. Ich bereue nicht, die Entscheidung so getroffen zu haben. Infolgedessen kann ich auf viele Dinge hoffen, die zuvor ganz unvorstellbar für mich waren, wie z. B. eine Berufsausbildung.
Allen Frauen, die mir geholfen haben, möchte ich danken und sie bitten, auch weiterhin allen Frauen in Not zu helfen, damit auch sie ihr Lächeln wiederfinden.
Dir, die du das Lächeln verloren hast, möchte ich sagen: Verliere nicht die Hoffnung. Du bist nicht dazu bestimmt zu leiden. Behalte dein Selbstvertrauen!